Dresden: Die Waldschlösschenbrücke. (Foto: M. B.)
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Freitag, 2. Dezember 2016

Dresdner »Othello« legt falsche Spur

Theater in Dresden. Die Geschichte von Othello, dem »Mohr von Venedig« ... Wie Shakespeare sie angelegt hat (und da hat es zwischen den Textversionen der beiden Original-Erstdrucke schon Unterschiede gegeben), ist das eine. Das andere ist, ob heutige Inszenierungen den Shakespeare-Intentionen eins zu eins folgen sollten.

Die vom Intriganten Jago losgetretene und befeuerte Maschinerie aus lodernder Eifersucht, raffinierten Ränkespielen und erschütternden Toden hat ihren Anlass nicht darin, dass Othello dunkelhäutig ist, hat ihre Ursache nicht in dem, was wir heute »Rassismus« nennen. Nein, Jago würde seinen eigenen Vorteil bis zur letzten Konsequenz auch suchen, wenn ihm jeder beliebige andere Venezianer im Wege stünde. Insofern ist dieses Theaterstück eines, das in bedrohlicher und atemberaubender Weise zeigt, wie sich kleine, hinterlistige Leute, die über keinerlei Wissen und Fähigkeiten außer denen der Intrige und der Bösartigkeit verfügen, nach oben arbeiten (wollen). Hierin liegt auch die Aktualität des »Othello«.

Dass diese Dresdner Inszenierung des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson nun, zeitgeist-üblich, die politisch korrekte Karte des Anti-Rassismus zu spielen versucht, verwässert die Essenz dieses Dramas. Allenfalls kann mit dem Rassismus des Senators Brabantino erklärt werden, dass Othello nach Zypern abkommandiert wird – wenn man, sehr zweifelhaft, unterstellt, ein einzelner Senator könne den Einsatzort eines Generals bestimmen.

Doch damit wird eine falsche Spur gelegt. Zypern stehe bei Shakespeare, so der Anglist Bernhard Klein auf der Webseite des Staatsschauspiels, für jenen »Schwellenort«, an dem die Konfrontation zwischen West und Ost, zwischen Christentum und Islam, oder grundsätzlicher: zwischen Zivilisation und Barbarei, ausgefochten werden solle. Aber: Um all diese »Konfrontationen« und abstrus verstandenen Begriffe geht es an keiner Stelle des »Othello«-Stückes. So steht die Frage, welche Religionen die handelnden Figuren haben, überhaupt nicht. Und auch nicht, welche Werte mit den Begriffen Ost und West, Christentum und Islam, transportiert werden (sollen).

Die Dramatik des Stückes speist sich einzig und allein aus dem zerstörerischen und folgenreichen Kampf der Barbaren (hier Jago) und deren manchmal ahnungslosen Helfershelfer. Es wird klar, dass der Zustand unserer Zivilisation, wie wir sie in ihrer beklagten Unvollkommenheit und all ihrem Elend vorfinden, kaum einem Brabantino, sondern vor allem den Jagos zu verdanken ist, die uns überall umgeben und deren Einflüssen kaum jemand entrinnen kann. Das ist die wahre Barbarei.

Dies verschleiert zu haben, ist der Inszenierung von Thorleifur Örn Arnarsson ganz gut gelungen. Da ist es schon fast unwichtig, dass der Dresdner »Othello« teils mit brillanten schauspielerischen Leistungen, teils mit einem ausstatterischen Mummenschanz aufwartet.

»Othello«, Staatsschauspiel Dresden, Regie: Thorleifur Örn Arnarsson

Mittwoch, 2. November 2016

KAMA wine & spirit(s) gibt Orientierung im Wein-»Garten der Lüste« – am 19. November

(Das Weingut Hagn wurde 2015 mehrfach geehrt.)

Der Winter naht und schließlich auch Weihnachten und Silvester. Wer jetzt an die Planung kulinarischer Höhepunkte geht, kann ziemlich stressfrei dem Jahresende entgegensehen.

Um seinen Bestands- und Neukunden die Orientierung im »Garten der Lüste«, also in der Vielfalt der Weinangebote, zu erleichtern, wird der Online-Weinhändler KAMA wine & spirit(s) aus Dresden am Sonnabend, den 19. November 2016 (11 bis 19 Uhr) seinen Wein-Probier-Tag veranstalten. Ort der genussvollen, wertenden, wählerischen und erhellenden Trinkerei ist das Lager-Geschäft auf der Florian-Geyer-Str. 58 (Nähe Thomas-Müntzer-Platz).

Zur Auswahl steht die Welt der österreichischen Weine – zumindest ein attraktiver Teil davon. »Ich möchte allen Neugierigen eine Offerte präsentieren, die zwei Wünsche erfüllt – edel sollen diese Weine sein, aber ohne arm zu machen«, sagt Veranstalter Ben Rüpprich von KAMA. Dabei sind Weine von Hagn (Weingut des Jahres 2015), Zantho, Hannes Reeh, Donabaum, Reiterer, Kirnbauer und Michael Auer. Damit sind beste Tropfen aus den Gebieten rund um den Neusiedlersee, aus der Wachau, der Steiermark, Mittelburgenland, aus dem Weinviertel und Carnuntum vertreten.

Jedes dieser Weingüter wird mit drei bis vier Weinen vorgestellt werden. Das ist ein attraktives Programm, über das man dennoch nicht die Übersicht verliert. Ein Kompass in Sachen »Ösi«-Wein, extra für Dresdner Piefkes. Für eine stressfreie (Vor-)Weihnachtszeit.

Zeit: Sonnabend, 19. November 2016 (11 bis 19 Uhr)
Ort: KAMA Verkaufslager, Florian-Geyer-Str. 58, 01307 Dresden

Probierpauschale von 10 Euro wird bei Kauf verrechnet.
Aktion: 5 Flaschen bezahlen, 6 Flaschen mitnehmen.

M. B.

(Foto oben: Weingut Hagn/PR – KAMA)

Freitag, 1. April 2016

Jazzfotos von Hans-Joachim Maquet: Wilde Musik vor den Türen der Büros im Uniklinikum

(Till Brönner im Medizinisch-Theoretischen Zentrum der TU Dresden am 15. Dezember 2011 zum Benefizkonzert zugunsten des Cochlea-Implant Centrums. Foto: Hans-Joachim Maquet)

Dresden: Ab 5. April 2016 zeigt die Galerie im Gang des Geschäftsbereichs Bau und Technik des UKD Jazzfotos von Hans-Joachim Maquet

Ausstellungswechsel im Gang des Geschäftsbereichs Bau und Technik des Dresdner Universitätsklinikums. Ab dem 5. April 2016 nachmittags werden großformatige Fotos des deutschlandweit bekannten Jazzfotografen Hans-Joachim Maquet zu sehen sein. Damit setzen Geschäftsbereich-Chef Steffen Kluge und dessen Helfer das Engagement für hochqualitative Kunst im Lebensalltag fort. »Ich finde es interessant und wichtig, das Besondere, Qualitätsvolle und So-noch-nicht-Bekannte öffentlich zu machen, und damit ein klein wenig zum kulturellen Niveau auch im Alltag beizutragen«, verriet Galerie-»Hausherr« Kluge schon bei der vorangegangenen Exposition sein Credo. Im Vorstand des Uniklinikums hat Kluge einen weiteren »gewichtigen« Mitstreiter gefunden – Prof. D. Michael Albrecht hat die Schirmherrschaft der Ausstellung übernommen.
Gezeigt werden diesmal etwa 25 Fotos von Jazzmusikern in Aktion, keine extra im Studio hergerichteten Porträtfotos, sondern Konzertaufnahmen »aus Fleisch und Blut«. »Meine Fotos sind Momente; sie versuchen Spannung und Stimmung auszudrücken wie man sie bei Live-Auftritten auch als Zuhörer erlebt und fühlt«, sagt der Fotograf Hans-Joachim Maquet. »Ohne den Anspruch an Ästhetik zu verlieren, soll im Foto das künstlerisch Typische des Musikers dargestellt werden und gleichzeitig das ganz Persönliche eigener Fotografie im Vordergrund stehen.« Im Visualisieren solch magischer musikalischer Momente hat Maquet einige Erfahrung. Jahr für Jahr quer durch Deutschland, die Schweiz, Österreich und weiteren Staaten bei Festivals und Konzerten unterwegs, hat er eine schier unüberschaubare Menge an Musiziersituationen gesammelt und nahezu alle bedeutenden europäischen und viele weitere Jazzmusiker im Live-Bild eingefangen – und dies seit Jahrzehnten. Mit dieser Ausstellung erinnert Hans-Joachim Maquet auch an einen früheren Höhepunkt im Dresdner Jazzleben – nämlich an die Konzertreihe »Jazz im Uniklinikum«, die für mehrere Jahre von Steffen Kluge – auch als »kleinen Beitrag gegen den aktuellen Abbau der Kulturvielfalt in Dresden« veranstaltet wurde. Die nunmehrige Ausstellung enthält auch Fotos von Musikern bei ihren früheren Auftritten im Uniklinikum.


Fotoausstellung im GB BuT des UKD, Haus 62, Schubertstraße, Vernissage: 5. April 2016, 15.30 Uhr
Musik zur Vernissage:
Günter Heinz, Posaune, Zurna, Flöte


Donnerstag, 24. März 2016

Zum Beitrag »Kreuzchor ohne Kreuz« von Christian Wolff in der Sächsischen Zeitung

Besonders im Schwarz-Weiß-Zeitungsdruck schwer reproduzierbar: das neue Kreuzchor-»Logo«.

Zum Beitrag »Kreuzchor ohne Kreuz« von Christian Wolff in der Sächsischen Zeitung 12./13. März 2016-03-14 habe ich das Folgende anzumerken:

Der Beitrag beschreibt, dass sich der Kreuzchor anlässlich seines 800-jährigen Jubiläums aus Marketinggründen offenbar vom Bezug auf seine kirchliche, ja teilweise sogar humane Tradition loslöst. Dabei wird auch deutlich, dass der Chor es nicht zu einer neuen, tauglichen, Profil schaffenden Identität schafft, sondern »ohne Not ins ideologische und religiöse Niemandsland« abdriftet.

Wer jedoch ein Wischi-Waschi-Selbstbild von sich vermittelt, macht es Kommunikationsdesignern schwer, einen griffigen, wenn nötig neuen visuellen Außenauftritt zu entwickeln.
Bisher hatte der Kreuzchor ein brillantes, modern wirkendes, die symbolische Einbettung der Kirche und des Chores in die Gesellschaft visualisierendes Logo, das aus einer Kombination von offenem Zeichen und moderner Schrift besteht. Geschaffen hatte es der Künstler Bernd Hanke, der sich damit sogar bei gleich zwei entsprechenden Wettbewerben durchsetzte.

Dieses Logo hat der Kreuzchor im Zuge des Jubiläums aufgegeben. Nun hat er kein vergleichbar niveauvolles mehr.

Die neue Wortmarke, typografisch altertümelnd ausgeführt und mit ihrer Anmutung an die Typo-Gestaltung des früheren Zeitungstitels des Neuen Deutschlands erinnernd, entwickelt keine über die Bedeutung des Namens »Dresdner Kreuzchor« hinausgehende Symbolik, sie lässt sich im Zeitungsdruck, besonders im Falle von Schwarz-Weiß, schwer reproduzieren, wirkt sehr behäbig-blockig – ein weborientiertes Grafikdesign lässt sich eben nicht ohne Probleme im Print-Bereich anwenden.

Diese Wortmarke passt sich in ein Titelblatt-Design der Jubiläumsbroschüre ein, das gestalterisch eher einer Festschrift für einen Bestatter-Verband entspricht als der für einen weltbekannten, zeitgemäßen Knabenchor mit langer Tradition, der seine exzellente Kunst in der heutigen Zeit präsentieren will.

Dass das Heft auch noch dreist mit der inhaltlich falschen Formulierung »800 Jahre 2016« überschrieben ist, lässt einen genauso ratlos zurück wie die Tatsache, dass das Backcover der Broschüre (und weitere Seiten) Kreuzschüler nicht vor der Kreuz- sondern vor der Frauenkirche zeigt. Da ist die Bezugnahme auf Bach kein schwacher Trost. Dass die Jubiläumsbroschüre nichts ernsthaft Historisches enthält und damit auch die Behauptung nicht belegen kann, der Chor sei gerade jetzt wirklich 800 Jahre alt (das nämlich ist in der Fachwelt umstritten), trägt zum Ärger bei.

Mathias Bäumel

PS.: Der obige Ausriss mit dem neuen »Logo« entstammt den DNN vom 4. März 2016.

Freitag, 5. Februar 2016

Wir-Gefühl innerhalb der Dresdner Kunstszene kann Gefahren in sich bergen


Selbstverständlich ist es aller Ehren wert, wenn eine ambitionierte Hobby-Fotografin sich Dresdner Künstlern widmen will. Und es spricht für das Projekt, wenn andere ihr dabei helfen, materiell und auch ideell. Schließlich ist es ein großer Glücksfall, wenn diese Hilfe auch dazu führt, dass ein solch gewichtiges Buch herausgegeben werden kann.


Der kürzlich veröffentlichte dicke Fotoband »Dresdner Künstler im Blick – Porträtfotografie Gabriele Seitz« ist es durchaus wert, beachtet und diskutiert zu werden.

Das Buch ist eine Fleißarbeit. Der Besuch von 207 Künstlern in deren Ateliers, das Organisieren dieser Termine, das Fotografieren und schließlich das Beschaffen und redaktionelle Bearbeiten der dazugehörigen Texte (meist, aber nicht nur von Heinz Weißflog) sind ein gehöriges Stück Arbeit. Die Fotografin selbst gibt an, bei diesem Projekt rund 18.000 Kilometer »verfahren« zu haben! Herausgekommen ist dabei vor allem ein gut gefülltes Kompendium von Künstlern aus Dresden und der Region – Maler, Grafiker und Plastiker.

Aber das Buch ist auch Zeugnis eines Dilettantismus. Zwar beseelt von ihrer gefundenen Aufgabe, lässt Gabriele Seitz dennoch nicht selten fotografische Qualität vermissen, und dies auf zwei Ebenen.

Einerseits fallen auf vielen Seiten immer wieder handwerkliche Schwächen ins Auge. Fotos wirken unscharf, ihr Fokus liegt manchmal knapp daneben oder betont Nebensächliches (zum Beispiel Tafeln 61, 71, 111, 235). Der Umgang mit dem Licht ist zum Teil fragwürdig, er lässt Gesichter durch Schatten dunkel »einsuppen« und aus unerfindlichen Gründen mit Hintergründen verschwimmen (Tafel 60, 146, 157). Wer, wie Gabriele Seitz, ausschließlich mit dem vorgefundenen Naturlicht arbeiten möchte, sollte dies auch können. Überhaupt ist die Arbeit mit dem Hintergrund in einer Reihe von Fällen ungeschickt, das Verhältnis von Hintergrund-Mustern und Vordergrund-Gesichtern problematisch. Es wirkte wie eine schale Ausrede, wenn nun an dieser Stelle entgegnet würde, dies seien keine handwerklichen Mängel, sondern Insignien einer besonderen künstlerischen Schöpferkraft.

Andererseits scheint sich Gabriele Seitz mit ihrem Mammut-Projekt ein Eigentor geschossen zu haben, denn viele – natürlich nicht alle – Fotos zeugen davon, dass die Fotografin den Menschen und Künstler, den sie porträtieren wollte, nicht erfasst, nicht getroffen, sich nicht in ihn eingefühlt hat. Wie auch bei dem Zeitdruck?

Sicher ist es zu großen Teilen Sache der Fotografin selbst, wie sie die zu porträtierende Person empfindet und wie sie sie schließlich darstellt. Aber wenn eine der großartigsten und künstlerisch einflussreichsten Fotografinnen der deutschen Fotogeschichte dargestellt wird als handele es sich um einen Schnappschuss aus einer Irrenanstalt und damit vor allem um eine geistig verwirrte Person, ist wohl etwas schiefgelaufen.

Schließlich ist das Buch eines der Eitelkeit. Nach Erscheinen des Folianten hat eine ganze Reihe der abgebildeten Künstler das Ergebnis hinter vorgehaltener Hand beklagt. Sie seien nicht gut getroffen und unglücklich dargestellt worden, es sei alles Husch-husch gegangen. Man hörte einzelne Künstler entnervt stöhnen: »Diese Frau kommt mir nicht nochmal ins Atelier.«
Doch das ist selbstgemachtes Leid. Die unzufriedenen Porträtierten hätten einfach sofort kritisch eingreifen und sich die Fotos vorlegen lassen sollen. Aber das hätte ja dann in einigen Fällen bedeutet, dass sie in dem Kompendium Dresdner Künstler fehlen würden ... Eitelkeit siegt manchmal über Qualität. Lächelnd vorgetragene Toleranz (»Jeder soll sein Zeug in Ruhe machen dürfen, wie er will ...«) scheint eine Variation davon zu sein.
Und dieses Credo gilt vom Grundsatz her zu Recht. Nicht nur für die porträtierten Künstler, sondern auch für die Fotografin, die selbstverständlich ihr Buch veröffentlichen kann mit genau den Bildern, die sie selbst für veröffentlichungswert hält. Zumindest, so lange ein solches Werk nicht öffentlich gefördert ist. Im Gegenzug sollte damit aber auch ehrlich umgegangen werden – wem nützt eine Lobhudelei aus falsch verstandenem Korpsgeist? Ein Wir-Gefühl innerhalb der Dresdner Kunstszene kann Gefahren in sich bergen.

Mathias Bäumel

Dresdner Künstler im Blick. In 190+9 Ateliers
Porträtfotografie von Gabriele Seitz
Verlag SchumacherGebler Dresden 2015,
Hardcover, 2015
350 Seiten, ca. 240 Abbildungen
ISBN: 978-3-941209-36-7
39,00 Euro

PS.: Das Bild oben zeigt die Buchtitelgestaltung des Verlages SchumacherGebler.